„Vollkommen überfahren...“

 

Dieser Termin in München war der absolute Schock für uns, zunächst wurde ich wieder von einer Assistentin per Ultraschall und Doppler untersucht und das fast eine Stunde lang. Ich war nervös und die Kinder auch, denn sie zappelten ganz schön herum und hatten wahrscheinlich die Schnauze voll von dem ganzen Ultraschall. Danach wurde wir in den Nebenraum gebeten und die Assistentin besprach die Ergebnisse mit dem Chef. Es wurde auch noch ziemlich lang diskutiert ob die Beiden eineiige oder zweieiige Zwillinge waren. Dieser kam dann zu uns und erklärte, dass Svenja zu klein wäre, weil sie eine Unterversorgung durch die Nabelschnur hätte. Dazu käme, dass sie eine Zwerchfellhernie habe, d.h. Svenja hatte ein Loch im Zwerchfell durch das bereits der Magen und der Darm nach oben „gerutscht“ ist und somit den Platz für die Lunge und das Herz einschränkt. Kurz gesagt, sie habe keinerlei Überlebenschancen. Daher und weil durch ein vorzeitiges Absterben von Svenja im Mutterleib ihre Schwester gefährdet wäre, schlug uns der Arzt vor einen riskanten Eingriff (10 % Möglichkeit eines vorzeitigen Schwangerschaftsabbruchs) vorzunehmen. Bei Svenja sollte durch die Bauchdecke die Nabelschnur abgeklemmt werden. Auf meine Frage was dann mit ihr passieren würde, antwortete er, sie würde sich im Mutterleib „verpuppen“ und bis zur Geburt von Annika  als „Mumie“ in mir drin bleiben. Ich kam mir vor als würde ich mich im freien Fall befinden. Er wartete auch gar nicht die Antwort von uns ab, sondern ließ sich gleich mit einem Kollegen in Hamburg verbinden, bei dem dieser Eingriff durchgeführt werden könnte. Währenddessen hatten wir Zeit zu überlegen und entschieden uns sofort dagegen, denn wir wollten uns nicht jeglicher Hoffnung berauben. Als wir dem Arzt unsere Entscheidung mitteilten, war dieser sichtlich enttäuscht, schlug uns aber noch vor wir sollten eine Fruchtwasseruntersuchung machen lassen, da die Zwerchfellhernie auch genetisch bedingt sein könnte und daher nicht eindeutig zu sagen wäre, ob mit Annika alles in Ordnung ist. Wir baten um Bedenkzeit. Als wir jetzt wiederum nicht im Sinne des Arztes entschieden hatte ich den Eindruck, dass dieser doch etwas ungehalten wurde. Wir sollten draußen auf den schriftlichen Befund warten. Während dieser zeit entschieden wir uns doch noch dafür die Fruchtwasseruntersuchung durchführen zu lassen. Hierfür bekamen wir am nächsten Tag einen Termin. Ein Faltblatt für die Fruchtwasseruntersuchung und den Ort hierfür, das Rot-Kreuz-Krankenhaus in Nymphenburg wurde uns auch noch genannt. Mit dem schriftlichen Befund und tausend Gedanken im Kopf machten wir uns auf den Weg nach Friedberg zu Dr. Mersdorf, um auch mit ihm nochmals die Sachen zu besprechen.

Dann war der Termin für die Untersuchung da und wir waren ganz schön nervös. Wir mussten ungefähr 1 Stunde warten bis wir dran waren. Wir waren die „Letzten“. Ich musste erneut eine Ultraschalluntersuchung über mich ergehen lassen und dann kam wieder die Diskussion ob es eineiige oder zweieiige Zwillinge waren. Dies wäre wichtig für den weitern Verlauf ob der kleinere Fötus den Größeren eventuell schädigen kann. Mir war das in diesem Moment egal, ich hatte einfach nur Angst vor dieser Untersuchung und der langen Nadel zur Punktion. Dann wurden wir erstmalig über das Risiko eines „Abgangs“ aufgrund der Punktion informiert, ca. 1 % oder weniger. Endlich ging es los. Weil ich so aufgeregt war, waren meine Atembewegungen heftiger als normal, daraufhin musste ich mir anhören, dass ich doch endlich ruhiger atmen solle, da es bei meiner dicken Bauchdecke schon schwierig genug wäre. Auch eine Art zu sagen, dass ich zu dick bin. Bei Svenja hatten sie einige Schwierigkeiten, da diese sehr wenig Fruchtwasser hatte.

Wir einigten uns nach der Untersuchung darauf, das für Beide ein Schnelltest durchgeführt wird und wir die Ergebnisse in 24 Stunden per Fax erhalten sollten. Dann sollte ich mich im Krankenhaus in einer eigens dafür vorgesehenen Ruhe-Ecke eine Stunde ausruhen. Auf dem Rückweg haben wir Dr. Mersdorf vom Auto aus angerufen und dieser sagte uns zu, dass er uns noch einmal in der Praxis sehen wollte, obwohl er keine Sprechstunde hatte.

Als ob dies nicht schon genug wäre, ist Sascha auf den Rückweg in München bei Rot über die Ampel gefahren, nach dem Motto ein Unglück kommt selten alleine. Bei der kurzen Untersuchung bei Dr. Mersdorf war soweit alles in Ordnung. An diesem Abend musste Sascha wieder zurück nach Wiesbaden um Arbeiten zu gehen.

Nun warteten wir voller Spannung auf die Ergebnisse. Auf Nachfragen bekam Sascha dann die Ergebnisse gefaxt. Es war genetisch alles in Ordnung mit den Beiden. Nach solch einem Befund fasst man unsinnigerweise wieder Hoffnung es könnte doch noch alles gut gehen. In der darauffolgenden Woche am 15.01.02 hatte ich wieder einen Termin in der Praxis für Pränataldiagnostik. Nach diesem Termin und der Behandlung war ich total fertig und beschloss nie wieder dahin zu gehen. Dazu muss ich sagen, dass diese mich sowieso erst wieder in der 28. SSW sehen wollten, weil sie vorher keine Chancen für die Kinder bzw. Annika gesehen haben.

Dies wollte ich so nicht stehen lassen und habe mich über das Internet informiert, wo ich bzw. wir Drei gut aufgehoben wären. So bin ich auf die Kinderklinik in Augsburg gestoßen, die an das Zentralklinikum angeschossen ist. Per E-Mail habe ich an die Kinderklinik eine Anfrage gestellt, ob die für so einen Fall wie den unseren zuständig wären oder ob ich doch nach München gehen muss.

 

 .. und so geht’s weiter

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